Euer Studio befindet sich in einer traumhaften Lage in der Nähe von Dresden und und auch das Gebäudes ist etwas Besonderes. Erzählt doch ein wenig zu eurer Geschichte.
Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, in einem Schloss zu wohnen? Meist fehlt jedoch das nötige Kleingeld, um diesen Traum umzusetzen. Ich habe bis 2009 mit meiner Familie in der Neustadt, dem Szeneviertel von Dresden gewohnt. Viele alternative Kneipen, coole Konzertlocations und kreative Leute prägen diesen Stadtteil. Dort veranstalteten wir regelmäßig Hauskonzerte in unseren Wohnungen oder in der Kneipe im EG und konnten so Kontakte zu internationalen Künstlern knüpfen. Als wir davon hörten, dass das Schloss Röhrsdorf zum Verkauf stand, habe ich nach einer Besichtigung gesagt: Es wäre so cool, hier zu leben und zu arbeiten.
Einige Monate später wurde ich von einem befreundeten kanadischen Musiker als Dozent an seine Musikschule in Kanada eingeladen. Dave, der Sponsor der Schule, fragte mich, ob ich aus Deutschland komme. Er erzählte mir, dass er dort gerne ein Schloss kaufen würde und jemanden sucht, der sich darum kümmern möchte. 2008 hat er das Schloss gekauft und die Renovierung und den Studioausbau finanziert.
Was ist euch besonders wichtig im Umgang mit Künstler:innen/Bands. Als Außenstehender bekommt man schnell den Eindruck, dass ihr viel Wert auf eine familiäre Atmosphäre legt.
2013 hatten wir Besuch von Tay Hoyle und Vicky Genfan. Tay betreibt ein Studio in New York. Ich zeigte ihr stolz meine alten Neumann-Röhrenmikrofone, die in Studiokreisen zum heißen Shit zählen. Tay schaute mich nur unbeeindruckt an und meinte: Arno, its not about the gear, its all about the vibe! Und sie hatte Recht. Wenn ein Musiker ins Studio kommt, fragt er sich, ob alles klappt, ob seine Performance und der Sound gut wird und das lässt viele Künstler:innen zu verkopft werden. In unserer „Schlossbar“ kann man z. B. auf Leute aus der Künstlercommunity treffen, sich austauschen und spüren, dass man hier an einem ganz besonderen Ort ist. Es geht darum, seine Sorgen zu vergessen und Spaß beim Prozess der Aufnahme zu haben. Guter Sound ist wichtig, aber das Allerwichtigste ist eine großartige Performance. Denn genau diese macht am Ende jedes Album aus, das einen Platz unter den 100 Besten im Rolling Stone erreicht hat.
Was war für euch bis heute die außergewöhnlichste Produktion?
Es gab viele besondere Produktionen im Laufe der Jahre und mir fällt es etwas schwer, eine davon als „außergewöhnlich“ zu bezeichnen.
Sicher war die Produktion mit Märzshall Barkman etwas Besonderes. Er hatte sich Stephen Perkins von „Jane‘s Addiction“ als Drummer und Nick Maybury, den Gitarristen von „Stone Temple Pilots“ und Sänger Scott Weiland für ein Album seiner Band „Lucy Luvs Fur“ engagiert. Die Aufnahmen fanden in den Capitol Studios, Castle Studios und Abbey Road statt. Als Produzentin war Sylvia Massy engagiert. Mit ihr haben wir auch das Album „Feathers & Flesh“ von Avatar aufgenommen, das später in den USA zum Metal Album des Jahres gewählt wurde. Am ersten Studiotag erklärte Sylvia der Band, dass sie mit ihnen zuallererst einen „organic ass click track“ aufnehmen wollte. Die Jungs ließen wortwörtlich die Hosen runter. Aus einem Witz heraus stellte Sylvia ihnen ein Mikrofon vor den Hintern. Dann haben die Jungs sich im Takt auf die Pobacken geklatscht. Das war mit Abstand der beste „Ice-Breaker“, den ich je erlebt habe. Sylvia hat sie dabei gefilmt. Das Video dazu gibts auf YouTube. (lacht)
Ganz besonders happy bin ich über das Ergebnis, das wir mit Alice Phoebe Lou‘s Album „Glow“ erreicht haben. Sie entschied, alle Computer und Bildschirme aus dem Studio zu verbannen und das ganze Album klassisch auf unserer Studer A80 Bandmaschine aufzunehmen. Wir haben es dann zusammen gemixt, gemastert und beim Anhören gab es Freudentränen.
Ein ganz besonderes Erlebnis war es für mich, Wolfgang Niedecken kennenzulernen. Es war eine Ehre, dass BAP bei uns ein Album aufgenommen haben. Wolfgang ist für mich einer der authentischsten Menschen, die ich in meinem Leben getroffen habe. Voraussichtlich arbeiten wir dieses Jahr wieder zusammen. Das freut mich sehr.